Hallo Herr Brummer, könnten Sie sich bitte in ein paar Sätzen kurz vorstellen:
Ich bin 24 Jahre alt und seit über vier Jahren bei der Aichacher Zeitung. Dort habe ich mein Volontariat absolviert und arbeite seit 2019 als Redakteur. Zudem bin ich als freischaffender (Presse-)Fotograf tätig.
Wo und wann haben Sie persönlich das erste Mal bewusst Demokratie erlebt?
Bewusst Demokratie erlebt habe ich zum ersten Mal in meiner früheren Jugend, als ich mich in meiner Heimatgemeinde für den Bau einer Outdoor-Tischtennisplatte eingesammelt habe. Hier haben Gleichgesinnte zusammen mit der Dorfgemeinschaft mit Hilfe von Spendensammlungen und in Absprache mit dem Gemeinderat eine fixe Idee in die Tat umgesetzt.
Was motiviert Sie, sich für mehr demokratische Beteiligung einzusetzen?
Ich erlebe in meinem Umfeld immer wieder Unverständnis für politische Entscheidungen, das häufig mit Unwissen zu tun hat. Viele wollen sich m.E. nicht ausreichend mit den Geschehnissen und politischen Entscheidungen in ihrem direkten Umfeld auseinandersetzen und suchen in Fällen, die ihnen akut (und zum Teil kurzfristig und für kurze Zeit) sauer aufstoßen, einen Schuldigen. Ein Beispiel: Eine Straße wird nicht geräumt, Straßen werden zugeparkt, auf denen man gerade selbst fahren will. Hier wird schnell und pauschal die Gemeinde in die Pflicht genommen und kritisiert. Das sorgt für Unmut und Verdruss. Ich habe selbst so gedacht und geurteilt, ehe ich mich selbst engagiert habe. Durch meine Arbeit möchte ich mehr Leute zum politischen Engagement bewegen.
Was bedeutet für Sie Demokratie? Wie definieren Sie Demokratie?
Demokratie ist für mich Streit, unangenehm für Beobachter, aufreibend für die Streitenden, zuletzt aber befriedigend für das größere Ganze. Wer davon ausgeht, dass seine Meinung und sein Weg alternativlos sind, wird es in einer demokratischen Welt nicht leicht haben. Der Kompromiss vor der Entscheidung ist für mich die Essenz demokratischer Arbeit. Respekt vor der Meinung anderer sowie die Fähigkeit, sich durch kluge Argumente von seiner Ansicht abbringen zu lassen, sind Grundvoraussetzungen dafür. Dieses Prinzip funktioniert übrigens nicht nur in demokratischen Gremien, sondern in jedem sozialen Gefüge, der Beziehung, dem Freundeskreis, der Familie. Ich bin kein Staatstheoretiker, würde mich aber als bekennenden Demokraten bezeichnen, der gerne Kompromisse sucht - zum Wohl der Allgemeinheit. Das ist ganz wichtig.
Welche Rolle spielt die Presse in der Demokratie? Wird die Presse ihrer Rolle als sogenannte „vierte Gewalt“ gerecht?
Die Presse ist ein Kontrollorgan, das leider immer häufiger in den Hintergrund gedrängt wird. Besonders in den sogenannten sozialen Netzwerken spielen sich Scheindiskussionen jenseits fundierter Faktenlage ab. Das sind laut meiner Definition keine Diskussionen, weil die wiederum in meinen Augen einzig und allein auf Basis stichhaltiger Argumente funktionieren kann, die wiederum auf Fakten aufbauen und widerlegbar sein müssen. Stattdessen werden Ideen plötzlich zu Fakten erklärt und andere "Fakten" ignoriert. Das Wort "Wahrheit" kursiert ja seit längerem in gewissen Kreisen durchs Netz, ich werde häufig gefragt, ob ich noch "die Wahrheit" schreiben dürfte. Das spiegelt die Glaubwürdigkeit der Presse sehr gut wider. Aus diesem Grund muss ich leider sagen, dass die Presse - zudem unter Beschuss durch alternative Fakten - ihren Status mehr und mehr verliert. Daran ist sie zum Teil auch selbst Schuld, nachdem sie sozialen Medien wie Facebook oder Twitter derart viel Bedeutung beimisst. Auch der Hang, jede Information schneller als die Konkurrenz online zu veröffentlichen, hat Nachteile, die sich besonders auf die Glaubwürdigkeit auswirken. Wer hudelt, macht Fehler. Das ist fatal für alle, die den Anspruch haben, die "Wahrheit", wenn man bei diesem Wort bleiben will, zu verkünden. Tatsächlich halte ich auch die Aussage für richtig, dass einige Medien nicht mehr kritisch genug sind. Meine Kollegen und ich werden oft als "Systemschreiber" bezeichnet. Das ist brandgefährlich, da es den Eindruck erweckt, wir würden staatlich gelenkt. Das Gegenteil ist der Fall. Wir als Presse sollten den Finger in die Wunde legen und auf Missstände hinweisen. Besonders im Bezug auf Corona-Maßnahmen ist das zumindest zu Beginn der Pandemie meines Erachtens nicht neutral genug geschehen. Wir haben kaum auf die Betriebszweige aufmerksam gemacht, die vor dem Ruin stehen, haben die Aussagekraft des Inzidenzwerts nicht durchleuchtet, haben nicht genau genug nachgefragt, häufig nicht ausgewogen berichtet, sondern vermehrt die Aussagen diverser Politiker eins zu eins und wenig kritisch wiedergegeben. Das darf in Berichten nicht geschehen. Für die Meinung in der Presse gibt es Essays und Kommentare, um sie klar von der neutralen Berichterstattung zu trennen. Das schafft Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit, die wir als "vierte Gewalt" unbedingt brauchen.
Welche demokratische Verantwortung tragen Sie als Pressevertreter:in? Was sind Ihre Aufgaben?
Wie bereits oben angesprochen ist es in meinen Augen Aufgabe der Pressevertreter, genauer hinzuschauen und nachzufragen. Wer Presseberichte eines Landratsamts einfach abdruckt, wird zum Dienstleister der Politik. Das ist die Presse aber nicht oder sollte es nicht sein. Die Presse verarbeitet gewisse Informationen, recherchiert aber weiter, stellt Fragen, die manches Amt nicht gerne beantworten will oder eben nicht freimütig und ungefragt beantwortet. Die Presse deckt auf. Wenn ich einen Text lese, möchte ich, dass danach keine Fragen offen bleiben. Ich möchte nicht das Gefühl vermittelt bekommen, dass "die Medien" mehr wissen als ich. Die Presse muss Transparenz schaffen - und zwar sowohl auf Bundesebene als auch in jeder noch so kleinen Gemeinde. Wenn ein/e Bürgermeister/in sich selbst bereichert oder gar ermächtigt, möchte ich das als Bürger wissen. Denn dann wähle ich ihn oder sie schlichtweg nicht mehr.
Wie frei ist die Presse wirklich? Wo sind die Grenzen der Pressefreiheit? Was kann sich im Bereich der Pressefreiheit noch verbessern?
Die Pressefreiheit stößt an ihre Grenzen, wo sie Informationen nur durch gute Bekanntschaft, durch Vitamin-B, erhält. Das ist leider auch in einer durchaus erwachsenen Demokratie wie der unseren so. "Das schreibst Du bitte nicht", ist ein Spruch, den wohl jeder Pressevertreter, besonders auf dem Land, schon einmal gehört hat. Oftmals lässt man denjenigen, der um sogenannte "wohlwollende Berichterstattung" bittet, auch gewähren. Das hat einen einfachen Grund: Informationen aus erster Hand erhält man häufig durch Vertrautheit und Vertrauen. Wer das Vertrauen eines Informanten, besonders aus der Politik, missbraucht, wird so schnell keine Informationen mehr erhalten. Das kann nicht in seinem Sinne sein. Trotzdem muss der Pressevertreter natürlich abwägen, wie groß das öffentliche Interesse an dem, was er "bitte nicht schreiben" soll, tatsächlich ist. Denn im Zweifelsfall vernachlässigt er bei "Nicht-Berichten" seine Pflicht zur umfassenden Information - und verliert die Neutralität, die für die Glaubwürdigkeit wichtig ist. Wie sie Pressefreiheit hier zu verbessern wäre, ist eine schwierige Frage, die in meinen Augen nur die Legislative beantworten kann. Ist ein Bürgermeister etwa dazu verpflichtet, alle Themen, die laut aktueller Rechtslage im nichtöffentlichen Teil einer Gemeinderatssitzung behandelt werden öffentlich zu behandeln, erfährt auch die Presse weit mehr als aktuell.
Worin sehen Sie den Grund, dass die Presse besonders bei den politischen Rändern immer mehr in Verruf gerät?
Die Trennung der journalistischen Gattungen fällt, das beobachte ich, immer weiter in den Hintergrund. Berichte und Meldungen sind häufig von Meinung durchzogen. Häufig teile ich die Meinung, bin aber als Journalist zur Sorgfalt verpflichtet und weiß, dass Meinung in gewissen Zeitungstexten nichts verloren hat. Wenn ich ein etwas komplexeres Thema für den Leser einordnen möchte, schreibe ich einen Kommentar, einen Essay oder eine Glosse. Hier wird meine Meinung gekennzeichnet - so wie bei der Werbung übrigens auch. Das ist nicht mehr überall der Fall und sorgt dafür, dass manche Zeitungen nicht mehr so objektiv berichten, wie sie es schon getan haben. Die dann, je nach Medium und Thema, etwas einseitige Berichterstattung sorgt mit Sicherheit dafür, dass gerade Menschen mit extremeren Standpunkten sich selbst in der Berichterstattung ausgeschlossen fühlen.
Wie begeistern Sie Menschen für demokratische Werte? Wie fördern Sie Partizipation?
Ob ich es tue, kann ich nicht beurteilen, nachdem mein demokratisches Wirken nicht auf jahrzehntelanger Erfahrung fußt. Ich versuche allerdings permanent, vor allem Leute, die sich bei mir als Mandatsträger über "die Gemeinde" beschweren, aufzuzeigen, wie unsere Institution arbeitet, wer überhaupt zuständig für diese und jene Aufgabe ist - Kreis, Kommune, Freistaat oder Bund. Zudem bitte ich bei Beschwerden stets um Verbesserungsvorschläge und versuche auch, Leute, die sich offensichtlich für gewisse Themen in ihrer Gemeinde interessieren, für Partizipation zu begeistern, lade sie zu Sitzungen ein oder frage sie, ob sie sich etwa die Schaffung eines eigenen Vereins etc. vorstellen könnten, um Angebote, die sie vermissen, selbst mitgestalten zu können.
Allerdings sehe ich auch meine Arbeit bei der Presse als Möglichkeit, Menschen über die Arbeit politischer Institutionen aufzuklären und über deren Entscheidungen zu informieren. Auch damit kann ich meiner Meinung nach einen Beitrag zur Partizipation leisten und den Leser*innen demokratische Werte näher bringen, etwa auch in Kommentaren zu aktuellen Entscheidungen. Partizipation beginnt nämlich beim Interesse an politischer Beteiligung und muss aus eigenem Antrieb erfolgen, und meist auf Basis objektiver und neutraler, aber umfassender Information.
Wenn es ein allgemeines Demokratisches Manifest geben würde, welche drei Punkte sollten unbedingt enthalten sein und was sollte auf keinem Fall drinstehen?
In einem demokratischen Manifest sollte meines Erachtens der Streit eine zentrale Rolle spielen - der Streit, in dessen Verlauf durchaus extreme Meinungen, insofern sie sich nicht gegen Verfassungsgrundlagen wenden, ihren Platz haben dürfen und der mit einem Kompromiss, einer Einigung endet und vor allem respektvoll ausgetragen wird. Neben dem Streit sollte also die Punkte Respekt und Kompromiss enthalten sein.
Auf keinen Fall sollte, selbst wenn im Bezug auf die Demokratie immer wieder von der Unterdrückung minderheitlicher Meinungen gesprochen wird, von der Macht der Mehrheit die Rede sein. Das diskreditiert die berechtigten Meinungen anderer, die etwa in Oppositionsparteien einen maßgeblichen Beitrag zur freien demokratischen Grundordnung leistet.
Zusammenfassend: Was ist Ihr Statement zur Demokratie und Partizipation?
Partizipation ist der Kern gelebter Demokratie. Wer nur jammert und nichts tut, wird seine und die Lebensgrundlage seiner Mitmenschen nicht verändern - und damit folglich nicht verbessern.