Hallo Frau Spallek, könnten Sie sich bitte in ein paar Sätzen kurz vorstellen:

Ich heiße Sabrina Spallek. Ich bin 41 Jahre alt, verheiratet und lebe mit meiner Familie seit 2011 in Haimhausen. Nach meiner Kfz-Mechaniker Lehre holte ich mein Fachabitur nach und wurde anschließend Physiotherapeutin. Außerdem bin ich 3. Bürgermeisterin von Haimhausen, Kreisrätin und Gemeinderätin für das Büdnis 90/Die Grünen.

Wo und wann haben Sie persönlich das erste Mal bewusst Demokratie erlebt?

Als ich in der Grundschule zur Klassensprecherin gewählt wurde. Hier wurde mir meine demokratische Mitwirkung bewusst.

Was motiviert Sie, sich mehr für demokratische Beteiligung einzusetzen?

Das Mitwirken und die Mitsprache machen mir Freude. Diskussions- und Entscheidungsprozesse zu begleiten und mitzugestalten empfinde ich als sehr inspirierend und bereichernd.

Frau S. Spallek (Quelle: Theresa Meyer - Fotografie, Unterschleißheim)

Was bedeutet für Sie Demokratie? Wie definieren Sie Demokratie?

Es ist eine Form der Politik bei der jeder Bürger und jede Bürgerin frei und geheim seine Vertreter für die Regierung wählen darf. Es bedeutet als Bürger Rechte und Pflichten zu haben und Verantwortung zu übernehmen. Freie Meinungsäußerung, Chancengleichheit und Gleichberechtigung sind grundlegende Werte, die in der Demokratie gelebt werden.

Was sind Ihre zentralen Aufgaben als Bürgermeister:in? Welche demokratische Verantwortung ist mit ihrem Amt verbunden?

Ein Bürgermeister/in hat zwei zentrale Aufgaben: Oberster Repräsentant/in und Verwaltungschef/in.
Die Grundwerte der Demokratie erhalten sich - leider - nicht von selbst. "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Viel zu oft wird die Würde des Menschen und vor allem der Frauen" angetastet" um es milde zu beschreiben. Ein Bürgermeister/in gibt Struktur, Stabilität und repräsentiert die demokratischen Werte.
Als Dritte Bürgermeisterin bin ich nicht nur Ansprechpartnerin sondern kann mitgestalten, um die Interessen der Bevölkerung in die Gestaltung der Gemeinde einzubringen.

Wie erreichen Sie die Bürger:innen und wie können sie in Zukunft alle Bürger:innen erreichen? Wie beziehen Sie die Bürger:innen in Entscheidungen mit ein?

Wir können nur jene erreichen, die auch erreicht werden wollen.
Wichtig ist das Bewusstsein zu schaffen, dass jeder und jede für diese Gesellschaft wertvoll ist und ein wichtiger Teil von ihr. Dass jeder einzelne handlungsfähig ist und nicht fremdgesteuert wird.
Dies gelingt indem wir Angebote schaffen, die Demokratie erlebbar und erfahrbar machen. Kinder und Jugendliche für die Werte der Demokratie sensibilisieren, ihr Selbstvertrauen stärken und das Bedürfnis nach Solidarität, Respekt und Würde zu fördern und vorzuleben.
In einem kleinen Ort wie Haimhausen kommt man täglich mit vielen Menschen zusammen. Ob beim Elternabend, in Vereinen, beim Einkaufen, Joggen oder am Gartenzaun. Menschen mit einzubeziehen heißt nicht nur Entscheidungen zu erklären, sondern auch zuhören. Eine junge Familie, die einen Betreuungsplatz sucht hat andere Themen als Senioren, die nicht mehr allein einkaufen gehen können. Jede und jeden einzeln wahrzunehmen wo sie oder er im Leben steht, macht gerade die Kommunalpolitik sehr bodenständig. Es bereitet mir Freude mit den Menschen über das zu sprechen was sie bewegt und Impulse mitzunehmen in meiner Arbeit im Gemeinderat und Kreistag.

Frau S. Spallek bei der Kreisausschusssitzung im November 2020

Wo sind die Herausforderungen demokratischer Beteiligung / der Partizipation? Gibt es da auch Grenzen und wo liegen diese?

Viele Menschen = viele Meinungen. Endlose Diskussionen wirken lähmend auf Entscheidungsprozesse und zu starke Kompromisse können dazu führen, dass es am Ende des Tages für keinen wirklich passt.
Klare gemeinsame Werte, Offenheit und Transparenz können Grenzen verschieben. Denn die Grenzen entstehen in erster Linie im Kopf und im Herzen.
Demokratische Beteiligung legitimiert auch schwierige Entscheidungen. Bei Beteiligungen ist es wichtig immer den Rahmen und die Bedingungen vorher klar zu kommunizieren. Viele Bürgerinnen und Bürger machen sich unglaublich kreative Gedanken und bringen auch ihre fachliche Expertise gerne ein. Wenn aber über ein Wohngebiet gesprochen wird und am Ende dürfen Bürger nur über die Anzahl der Sitzbänke mitentscheiden ist die Frustration groß. Hier muss noch viel getan werden, um Entscheidungsprozesse besser zu kommunizieren. Bürgerbeteiligung heißt auch ständiges Lernen sowohl für die Politik, Verwaltung und auch die Menschen, um die es geht.

Wann setzen Sie auf Beteiligung, wann entscheiden Sie lieber allein?

Allein ist man zum Glück selten mit seinen Entscheidungen. Es gibt viele Ebenen mit denen ich mich austauschen kann. Verwaltung, Gemeinderatskolleg/innen, Bürger, Familie, auch wenn ich beim Beschluss natürlich meine eigene Meinung vertrete.

Was würden Sie anderen Bürgermeister:innen mit auf den Weg geben?

Fährste quer, siehste mehr.
Das bedeutet offen zu bleiben und neugierig. Und mutig zu sein, sich die Dinge auch mal aus einer ganz anderen Perspektive anzusehen.

Frau S. Spallek im Sitzungssaal Haimhausen bei der Kinderratssitzung Mitti

Wie begeistern Sie die Menschen für demokratische Werte?

Vorbild sein. Authentisch sein.
Demokratie funktioniert nur mit echten Demokraten.

Wenn es ein allgemeines Demokratisches Manifest für Kommunen geben würde, welche drei Punkte unbedingt sollten enthalten sein? Was sollte auf keinem Fall drinstehen?

Politische Oppositionen werden akzeptiert und in Diskussionen über Entscheidungen mit einbezogen.
Minderheiten finden Berücksichtigung und werden geschützt.
Die Achtung der Menschenrechte und Bürgerrechte.
Keinen Platz haben Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Lügen.

Zusammenfassend: Was ist Ihr Statement zur Demokratie und Partizipation?

Hier möchte ich Kofi Annan zitieren: "Wirklicher Friede bedeutet auch wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gerechtigkeit, bedeutet Schutz der Umwelt, bedeutet Demokratie, Vielfalt und Würde und vieles, vieles mehr."